Was für ein eigenartiger, außergewöhnlicher Ort. San Gimignano. Jeder Toskana-Urlauber schwärmt davon, wie mir scheint. Wer in die Toskana fährt, muss wohl San Gimignano gesehen haben.
Florenz, Siena, das sind mir Begriffe, das sind Städte! Da waren wir auch schon – das muss jetzt nicht noch einmal sein. Aber so ein bisschen Toskana, wie man sie sich eben so vorstellt, wollen wir zum Abschluss unserer Italienreise doch noch erleben. Also: San Gimignano.
Je näher wir – von Pisa aus – kommen, desto typischer wird die klassische Hügel-Toskana. Und schließlich sind wir doch sehr überrascht von der Silhouette des Ortes! Was sind das für Türme? Sehr ungewöhnlich. Aber auch die immer höher werdende Touristen-Dichte wird wahrnehmbar; am Ziel fast angekommen, dann alles im Stau: Autos, Busse, oje! Angeblich kommen jährlich mehr als acht Millionen Besucher in den weltweit bekannten, eigentlich kleinen Ort! Den Massenansturm verdankt San Gimignano seinem Ruf als ‚Manhattan des Mittelalters‘. Die Silhouette mit ihren 15 noch erhaltenen hoch aufragenden Geschlechter-Türmen gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Dass ausgerechnet die mittelalterlichen Wohntürme, von denen es ehemals wohl sogar 72(!) in der Stadt gegeben haben soll, ihr heute zu soviel Berühmtheit und Wohlstand verhelfen, ist eine Ironie der Geschichte, denn stehen geblieben sind sie nur aus Geldmangel. Im 12. Jahrhundert war die Stadt eine freie Republik, jede wohlhabende Familie – jedes Geschlecht – hatte einen solchen Wohnturm, je reicher man war, desto höher baute man den Turm! Da zwischen den Städten in der Toskana oft Bürgerkrieg herrschte, waren diese Wohntürme gleichzeitig auch Wehrtürme. Zur Zeit der großen Pest 1348 starb jeder zweite Einwohner in San Gimignano und Florenz übernahm die Stadt. Die mächtigen Städte Florenz, Siena und Lucca rissen ihre unzeitgemäßen Wohntürme ab und bauten Paläste. Das verarmte San Gimignano hatte kein Geld zum vollständigen Abriss…
Mehr möchte ich euch zur Geschichte der Stadt nicht berichten. Ich verweise noch auf Wikipedia und auch auf die nette, informative Seite Dörfer der Toskana.
Zum Glück können wir wieder auf den ‚WOMOführer‘ von Ralf Gréus „Mit dem Wohnmobil in die Toskana“ zurückgreifen, der uns seinen Geheimtipp 😉 verrät: Nr. 69, recht nah an der historischen Stadtmauer, echt ein sehr praktischer Stellplatz!
Unsere erste Stadtbesichtigung erfolgt nachmittags. Nachteil: sehr viele Touristen. Gute Fotos sind kaum möglich. 😦 Man kann nur mit der nach oben gerichteten Linse einigermaßen zufrieden stellende Ansichten einfangen. Ich zeige euch ein paar davon, manche Bilder sind allerdings auch vom nächsten noch wenig frequentierten Morgen.





Chiesa di Sant’Agostino:

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Noch viel zauberhafter ist unser zweiter Besuch am Abend. Alle Läden und Souvenir-Shops sind geschlossen, keine Lederhandtaschen, kein Käse und Speck, kein Nippes. Alle Busse sind abgefahren. Kaum Menschen, nur der Vollmond…
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Das war das südlichstes Ziel unserer Italien-Herbstreise, wir orientieren uns ab sofort nordwärts, langsam heimwärts. Wir fahren dann 25km – bis Certaldo. 🙂
Aber nicht die Neustadt von Certaldo interessiert uns, sondern der Stadtteil Certaldo Alto, oberhalb an den Hängen des Val d’Elsa gelegen. Das Kleinod gleicht einem Freilichtmuseum. Wie auch in San Gimignano sind Häuser und Straßenbelag aus rotem Backstein. Der Massen-Tourismus hat das Städtchen jedoch zum Glück noch nicht für sich eingenommen, die vielen Läden fehlen, wenige Besucher sind mit uns unterwegs, kein Geldfluss wegen einer UNESCO-Auszeichnung besteht – die Zeit scheint still zu stehen… Und wir genießen es.
Wieder stehen wir mit unserem Wohnmobil ganz nah, Stellplatz Nr. 65 im WOMOführer. Außer dem zauberhaften Rundgang durch das Centro storico mit seinen turmähnlichen Ziegelsteinhäusern unternehmen wir noch eine kleine romantische Wanderung durch die Olivenhaine und Weinberge der nahen Umgebung.


Wir kommen in die ‚Via Boccaccio‘. Hier steht das Wohnhaus des berühmten „Dekameron“-Dichters Giovanni Boccaccio. Es ist zwar nicht sicher, ob er hier 1313 geboren ist oder in Florenz, ganz klar überliefert ist aber, dass er hier am 21. Dezember 1375 starb. Donnamattea musste 😦 als Schülerin über das Dekameron (Il Decamerone) ein Referat halten, unvergesslich! Basierend auf der Zahl zehn (deka) wird in 100 Novellen – zum Teil recht frivol – das Schicksal von sieben Frauen und drei Männern zehn Tage lang während der Pest in Florenz im Jahr 1348 erzählt.
Zur blauen Stunde am nächsten Morgen zieht es ‚Donnamattea‘ nochmals in den mittelalterlichen Stadtkern.

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Hier noch die beiden Übernachtungsplätze mit Lagebild und GPS-Daten:

